Neun Nistplätze für Mauersegler eingerichtet – Rathaus sucht neue Untermieter
Lars Möller staunte nicht schlecht als plötzlich ein kleiner, putziger Vogel mit kurzen Beinen auf seinem Schreibtisch saß und auch nicht so recht wusste, wie er eigentlich hier hergekommen war. Vor dem Sachgebietsleiter für zentrale Grundstücks- und Gebäudewirtschaft der Gemeinde Henstedt-Ulzburg saß ein Mauersegler, der auf der Suche nach einem Nistplatz unter dem Dach des Rathauses durch das gekippte Bürofenster geflogen war.
„Aus Mangel an vorhandenen Nistplätzen haben 2019 zwei Mauerseglerpaare am Rathaus auf den Rollladenmotoren der Beschattungsanlagen für die Fenster einen wenig komfortablen und zudem gefährlichen Nistplatz gefunden“, berichtet Katja Rihm, Mitarbeiterin im Sachgebiet Grünplanung und Umwelt. „Wir haben dann nach einer Möglichkeit gesucht, den Mauerseglern eine geeignetere Unterkunft am Rathaus zur Verfügung zu stellen.“
Mit Helmut Joachim und Holger Wilhelmy konnte die Gemeinde zwei ausgewiesene Artenschutzspezialisten gewinnen. Helmut Joachim ist Fachmann für Mauersegler und hat die Bauanleitung für drei Brutkästen geliefert, die von einem Tischler des gemeindlichen Baubetriebshofes angefertigt wurden. Die Kästen mit insgesamt neun Nistplätzen hängen nun seit kurzem an der Rathaus-Balustrade im dritten Stock und warten auf neue Untermieter.
Wer aktuell über den Rathausplatz in Henstedt-Ulzburg spaziert, kann unter der Woche deutlich hohe Vogellaute vernehmen. „Die sogenannten ‚Duettrufe‘ kommen vom Band und sollen Mauersegler anlocken, die auf der Suche nach einer neuen Bleibe sind“, berichtet Helmut Joachim. An seinem Haus in Kisdorf leben selbst mehrere Mauerseglerpaare. Das NABU-Mitglied ist fasziniert von den Vögeln und schätzt sie als saubere, musikalische und gesellige Untermieter, die außerdem atemberaubende Flugkunststücke und Lebensfreude bieten.
Der Lebensraum der Mauersegler ist jedoch akut bedroht, weiß Helmut Joachim. Als Gebäudebrüter seien sie auf Brutplätze an Häusern spezialisiert. Doch diese Spezialisierung berge ein großes Gefahrenpotenzial.
„Durch den fortschreitenden Neubau oder die Sanierung alter Gebäude ohne Rücksichtnahme auf die Gebäudebrüter rauben wir gerade dem Mauersegler seine letzten Wohnstätten“, sagt Helmut Joachim. Unbemerkt – und oftmals unbeabsichtigt – werde den Seglern und ihrem Nachwuchs dabei sprichwörtlich das Dach in der Brutzeit über dem Kopf weggerissen. „Deshalb wäre es wünschenswert, wenn Bauunternehmen im Vorwege bei der Planung von Neubauten diesen Lebewesen eine Chance geben“, richtet Helmut Joachim einen Appell an die örtliche Bauwirtschaft.
Vorreiter seien seit zwei Jahren die Wohnungsbaugenossenschaften, die zum einen ihre Sanierungsmaßnahmen weitestgehend außerhalb der Brutzeit der Segler planen und zum anderen ihnen neue Nistplätze an sanierten Gebäuden anbieten.
„Oft reichen bei Sanierungen und Neubauten kleine bauliche Änderungen, um Mauerseglern geeignete Nistplätze zur Verfügung zu stellen“, sagt Helmut Joachim. Als gelernter Bauzeichner, der lange Zeit in einem Architektenbüro tätig war, stehe er bei Interesse gern mit seinem bautechnischen Wissen beratend zur Seite.
Laut Joachim gibt es wohl keinen Vogel, der so perfekt an das Leben in der Luft angepasst ist wie der Mauersegler. Alle relevanten Dinge seines Lebens, wie Nahrungsaufnahme, Schlaf, Gefiederpflege und Fortpflanzung würden in der Luft erledigt. Lediglich einmal im Jahr zur Aufzucht seiner Jungen komme der Vogel zu uns in den Norden und verschwindet dann unter unseren Dächern.
Mauersegler zählen nicht zu den Singvögeln, sondern bilden eine eigene Ordnung innerhalb der Vogelwelt. Ihr nächster Verwandter ist der Kolibri. Den meisten Menschen ist der Mauersegler unbekannt, da er aufgrund seiner kurzen, kaum sichtbaren Füße nicht auf Ästen oder ähnlichem sitzen kann.
„Mauersegler wurden zum Fliegen geboren und dies beherrschen sie in einer unnachahmlichen Art“, schließt Helmut Joachim. „Freuen wir uns auf eine erfolgreiche Ansiedlung am Rathaus in Henstedt-Ulzburg!“