Offener Brief: Hebammen händeringend gesucht! & Antwortbrief von Ministerin Alheit
Sehr geehrte Frau Schwesig,
Sehr geehrte Frau Alheit,
ich wende mich mit einem Problem an Sie, das unsere Region und unsere Kommune gleichermaßen betrifft: Es fehlen freiberufliche Hebammen.
Geburten sind bei weitem nicht nur medizinische Ereignisse, sondern Einschnitte, die das Leben verändern. Hebammen stehen Frauen in der Schwangerschaft zur Seite, in einer Phase die von vielen Fragen und Unsicherheiten begleitet wird. Sie geben Rat und Orientierung und bieten durch das Angebot der Hausgeburt vielen Schwangeren die Option, im privaten Umfeld zu entbinden. Der Berufsstand der Hebamme, der für viele in diesem Bereich Tätige zugleich Berufung ist, leistet damit einen wichtigen, unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Leben.
In den vergangenen Jahren mussten zahlreiche Hebammen, aufgrund steigender Versicherungsbeiträge und niedriger Entlohnung, ihren Beruf aufgeben. Zusätzlich leidet der Berufsstand unter einem erheblichen Nachwuchsproblem. In der Hebammenschule in Kiel sind derzeit 15 Kräfte in Ausbildung, davon kommen nur zwei Schülerinnen aus Schleswig-Holstein.
Gerade freiberufliche Hebammen können ihrer Tätigkeit aufgrund hoher Haftpflichtkosten nicht mehr nachgehen. Seit Juli vergangenen Jahres muss eine freiberuflich geburtshilflich arbeitende Hebamme jährlich 6254 Euro Haftpflichtversicherung zahlen. Hinzu kommt in vielen Fällen ein hoher bürokratischer Aufwand.
Diese katastrophalen Voraussetzungen sorgen dafür, dass Hebammen in unserer Region händeringend gesucht, aber nicht mehr gefunden werden. Unter akuter Personalnot leidet in Henstedt-Ulzburg der „Bauchladen“, eine Praxisgemeinschaft freiberuflicher Hebammen, die eine umfassende und verlässliche Betreuung für werdende Mütter und junge Eltern gewährleistet. Durch die enge Zusammenarbeit unter den Kolleginnen konnte bisher eine Versorgung auch im Urlaubs- oder Krankheitsfall der betreuenden Hebamme gewährleistet werden.
Diese Praxisgemeinschaft ist in ihrer Existenz bedroht, weil immer weniger Hebammen sich in der Lage sehen, ihre Tätigkeit freiberuflich auszuüben. Schon derzeit können die Hebammen vom „Bauchladen“ nur noch die Hälfte aller Anfragen von Schwangeren bedienen. Auch Praxen im Umkreis haben aufgrund des großen Andrangs oftmals einen Aufnahmestopp. Und dies in der Metropolregion Hamburg, die gerade für junge Paare mit Familienwunsch attraktiv ist und perspektivisch weiter wachsen wird.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie, Frau Schwesig und Frau Alheit, in ihrer Funktion als Familienministerin des Bundes bzw. des Landes Schleswig-Holsteins auffordern, dieses Problem auf die politische Agenda zu nehmen und auf eine Verbesserung der Arbeits- und Versicherungssituation von Hebammen hinzuwirken. Um den wichtigen Berufsstand der Hebammen wieder attraktiver für junge Menschen zu machen, muss die Politik gegensteuern, indem die hohen Haftpflichtkosten gedeckelt oder andere finanzielle Anreize für angehende Hebammen geschaffen werden. Meines Erachtens sind hier Lösungen auf Bundes- und Länderebene gefragt.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Bauer
(Bürgermeister)